Serie B: Pisa-Brescia 0:1

Italienischer Fußball aus dem Lehrbuch

Es war ja eher Zufall, dass wir dieses Spektakel miterlebt haben. Relativ kurzfristig haben wir uns für diese Partie entschieden, in erster Linie aus geographischen Gründen. Die Toskana eignet sich ausgezeichnet zum Groundhoppen, in überschaubarer Umgebung hätte es noch einige andere interessante Partien gegeben. So wurde es eben dieses Duell, bei dem es für Brescia um die Ausgangsposition für das Aufstiegs-Play-Off ging und Pisa das Abrutschen ins Abstiegs-Play-Off bzw. auf die Abstiegsränge verhindern wollte. Nachdem wir am Vorabend die auch ohne Fußball sehr sympathische Nachbarstadt Livorno schaumgebremst unsicher gemacht hatten, holten wir uns zu Mittag Karten für das Spiel und trafen dabei schon auf die ersten Pisa-Fans.

Deren T-Shirts verrieten uns auch gleich, dass die Regionalrivalität mehr zählt als die gemeinsame politische Orientierung, „Livornomerda“-Shirts waren ähnlich beliebt wie diverse linke Parolen und Ikonenkonterfeis. Als wir vor dem Spiel zum Stadion zurückkamen herrschte eine äußerst freundschaftliche Atmosphäre, die Vorfreude auf das wichtige Spiel war direkt spürbar. Die Pisa-Ultras hatten vor der Curva Nord eine Zapfanlage aufgebaut, die sie und uns – sympathischerweise gratis – mit Bier versorgte. Das nicht weniger sympathische Stadion ist eine Betonschüssel im besten Sinn und war gut gefüllt, offiziell mit rund 12.000 Zuschauern.

Dass die Serie B fußballerisch kein Schlaraffenland ist, stellte sich recht schnell heraus, nur Brescia wusste halbwegs mit der Kugel umzugehen. Nach 18 Minuten stellten die von einer Hundertschaft begleiteten Blau-Weißen aber jegliche Offensivaktivitäten ein, nachdem einer der Ihren mit Gelb-Rot vorzeitig duschen musste. Pisa wusste mit dem numerischen Vorteil überhaupt nichts anzufangen und quälte sich mit zahlreichen Eigenfehlern in die Pause. Wesentlich beeindruckender war da schon der Anhang. Kurven wie diese sucht man in anderen Ländern in der ersten Liga lange. Vor allem, wenn auch die Gegengerade supportete, entstand eine bemerkenswerte Geräuschkulisse. Dass die Lieder allesamt aus dem Ultra-Handbuch entnommen und also sehr bekannt sind, sei an dieser Stelle verziehen.

In der zweiten Halbzeit suchte Pisa die Entscheidung, allein die Mittel waren untauglich. Erst in der letzten Viertelstunde konnten die Nerazzurri ansatzweise Gefahr erzeugen, ein Tor wollte aber nicht mehr gelingen. In der Nachspielzeit passierte dann das Unglaubliche, Brescia gelang aus einem Konter in der 94. Minute per Flugkopfball das 1:0 und versetzte das Stadion in einen Schockzustand. Der verwandelte sich relativ schnell in pure Wut und vor dem Stadion wollten die Ultras die Spielerkabine stürmen. Nachdem die Polizei das in schwerer Monitur verhinderte, lieferten sich die Ultras mit dieser ausgedehnte Straßenschlachten, die – da sie uns den Weg zum Auto versperrten – diesen verrückten Fußballnachmittag abrundeten.

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