Groundhopping in Mexiko City

Was die Pumas den Américanistas voraushaben

Die mexikanische Liga ist der wahrgewordene Traum der Couch-Potato-Fanfraktion und TV-Mogulen. Jeder Spieltag wird feinsäuberlich zwischen Freitag und Sonntag Abend zerstückelt, damit auch ja jedes Spiel live im Fernsehen ist. Das führt dann dazu, dass das ein oder andere Spiel am Sonntag schon um 12 Uhr Mittag losgeht und der Groundhopping-Ausflug mit einem gehörigen Brummschädel vom vornächtlichen Rave, der eigentlich ein Rockkonzert sein wollte, beginnt.

Aber selbst Schuld, wer zwei Spiele an einem Tag sehen will. Nachdem die mexikanische Steh-Schlangenkultur überlistet und das Ticket zu Dumpingpreisen (~3 Euro) erstanden war, blieb noch genug Zeit zum Erkunden des Olympiastadions von 1968, das der Universität gehört (die mit 250.000 Studierenden größte Lateinamerikas, für die Wissbegierigen). Diese Uni leistet sich auch den Luxus einer mittelmäßig erfolgreichen, dafür umso sympathischeren Profimannschaft, den Pumas. Sie singt brav mit dem ganzen Stadion die leicht befremdliche Universitätshymne (das Publikum steht, die rechte Hand zum Hitlergruß erhoben, der hier anders heißt und etwas anderes bedeutet, und singt), spielt ansehnlich Fußball und verliert doch klar und deutlich.

Die Pumas dominieren das Spiel, vergeben aber gefühlte 23 Hunderter und fangen sich drei Kontertore ein. Den Fans ist das herzlich egal, sie singen die 90 Minuten praktisch ohne Unterbrechung durch, den Anhängern des Dauergesangs muss hier das Herz hüpfen. Ansonsten fiel auf, dass es nicht mehr sehr weit in die USA ist, von den Cheerleadern bis zum absurden Pausenspiel (Takeshi’s Castle für Arme) hat alles seinen eigenen Sponsor, für die Versorgung mit Speis und Trank sorgen laufende Händler. Dieses System macht durchaus Sinn. Es sorgt erstens für Arbeitsplätze und erspart das lästige Anstehen am Bierstand. Schade ist nur, dass die wieselflinken Herrn und Damen in der 60. Minute ihren Arbeitstag beenden.

Eine gut einstündige Reise durch die Stadt und einen unnötigen Zwischenstopp später, steh ich kurz vor Anpfiff vor einem der größten Stadien der Welt, dem Atzteken-Stadion. Natürlich ist das viel zu spät, vor den Kassenhäuschen ist eine hunderte Meter lange Schlange, die aber überraschend schnell zu bewältigen ist.  Mit der Suche nach dem Platz und einer Spezialkontrolle eines übermotivierten Polizisten vergeht aber doch eine knappe halbe Stunde bis ich im Stadion bin. Das ist durchaus eindrucksvoll, wenn auch nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Auch der größte, beliebteste und verhassteste Klub Mexikos, América, hat schon bessere Zeiten gesehen. Das bestätigt sich auch an diesem Nachmittag, wo die Blau-Gelben gegen den Mittelständler Santos 0:1 verlieren. Dennoch sei an dieser Stelle erwähnt, dass ein Fußballspiel in Mexiko für österreichische Augen eine Wohltat ist, das technische und taktische Niveau ist mit unserem nicht zu vergleichen.

Mexiko ist natürlich kein ballestrisches Schlaraffenland, siehe die vorher erwähnten Sponsorkuriositäten. Bei América wird das ganze noch ein bisschen verschärft, abgesehen von den aktiven Fans hinter dem Tor kommt Stimmung nur auf, wenn sie aus den Boxen stimuliert wird. Die größte Bauerndisco der Welt steht vielleicht doch nicht in Wals-Siezenheim. Auch mehrere mit dem mexikanischen Geldadel gefüllte VIP-Boxen, verbessern das Bild nicht wirklich. Klar, dass da die Sympathien der Grün-Weißen Auswärtsmannschaft gehören, deren Fans völlig selbstverständlich bunt vermischt mit América-Fans im Stadion sitzen und sicht trotz wüster Beschimpfungen blendend verstehen.